Persönliches


Kirchmeyers Arbeiten wurden sehr stark von fachbibliographischen wie von germanistischen und juristischen Methoden geprägt.
Mit der aus seiner unveröffentlichten Doktorarbeit hervorgegangenen Strawinsky-Monographie von 1958 erzielte er einen ungewöhnlichen musikwissenschaftlichen Bucherfolg, der ihn schlagartig berühmt machte (s. Ernst Kaufmann: Ein großes Buch und sein Echo, Jeunesses musicales - Musikalische Jugend, Juni-Ausgabe 1959, S. 6).
Hier benutzte er erstmals die bis dahin musikwissenschaftlich verpönte Zeitungsliteratur als Quelle und verband im Werkverzeichnis-anhang mono- und biographische Elemente zu einer neuen Methode, die er Ergographie nannte.

Sowohl die zeitgeschichtliche wie die ergographische Methode wurde von Kirchmeyer zu dem weiterentwickelt, was er, stark von Karl Jaspers beeinflußt, mit Situationsgeschichte bezeichnete, eine mosaikartige Zusammensetzung von Geschichte aus dokumentierten zeitgenössischen Augenblicksdiagnosen kleinster Zeitereignisse, über deren Zuverlässigkeit mit Methoden der Kriminalistik entschieden werden muß.
Das daraus gewonnene Zeitbild deutet Musikgeschichte als logische Folge von Kleinstsituationen und macht, wie Fachleute urteilten, richtig angewandt Zeitereignisse und Einzelkunstwerke für polemische oder apologetische Betrachtungen gegenstandslos.

Kirchmeyers Wagner-Buch von 1972 entstand nach dieser Methode und wurde zu einem weiteren Erfolg, der Kirchmeyer in die Reihe der bedeutenderen zeitgenössischen Wagnerforscher einreihte.
Auf Veranlassung seines Gönners Dr. Ernst Coenen stellte er in jahrelangen Archivarbeiten alle über Richard Wagner zwischen 1842 und 1861 in deutschen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichten Artikel zusammen, die nach und nach in eigenen Dokumentenbänden (bis jetzt 4 Bände 1842-1852) veröffentlicht wurden.
Parallel dazu erschien eine vollständige Sammlung aller deutschsprachigen Grundlagenartikel zur Systemgeschichte der Musikkritik (3 Bände =1791-1852), für deren Vorwort Kirchmeyer die von Wolfgang Wagner im Parsifal-Heft der Bayreuther Festspiele 1988 vorveröffentlichte erste Darstellung zur Methodengeschichte deutschsprachiger Musikkritik schrieb.
Diese Arbeiten verstand Kirchmeyer als medienwissenschaftliche Grundlagensicherung.
Stark beeinflußt wurde Kirchmeyer von den Methoden des Musikethnographen Marius Schneider, des Germanisten Richard Alewyn und vor allem des Rechtshistorikers Viktor Achter, dem er einen seiner Dokumentenbände widmete.

Kirchmeyer, dem eine Fachzeitschrift seinerzeit passionierte Hingabe und asketische Unbestechlichkeit bescheinigte, setzte sich sehr für zeitgenössische Komponisten ein und stand unabhängig von beruflichen Begegnungen in persönlicher Verbindung mit Jürg Baur, Herbert Eimert, Bernd Alois Zimmermann und Karlheinz Stockhausen.
Er hielt die erste Vorlesung an einer deutschen Universität über Musik nach 1945 und das erste Seminar über Stockhausen.

Der 1972 verstorbene Gründer des ersten elektronischen Studios, Herbert Eimert, setzte ihn testamentarisch zum Erben seines Brief-Nachlasses ein (etwa 400 Objekte).

Zur Zeit ist Kirchmeyer mit der Weiterführung der Wagner-Dokumentation 1853 und 1854 sowie mit der Fertigstellung seiner Lebenserinnerungen als Hochschulleiter 1972-1995 beschäftigt.


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